Wer einen Garten hat, kann noch nachvollziehen, wie schön es ist, die eigenen Obst- und Gemüseprodukte zu ernten. Vielleicht kennen einige von Ihnen auch noch den Brauch, aus Dankbarkeit für die Ernte eine Erntekrone oder einen Früchteteppich zu bauen? In manchen Kirchen und in ländlichen Regionen ist es auch heute noch der Brauch und die Produkte werden anschließend an die Tafel oder andere Hilfsorganisationen geschenkt.
Für uns Städter scheint es eher aus der Zeit gefallen zu sein, denn die bäuerliche Welt, aus der der Lesungstext stammt, kennen wir Städter nicht. Wir sind es gewohnt, alles, was wir brauchen, im Laden kaufen zu können. Vieles scheint selbstverständlich und die Dankbarkeit für die Ernte scheint ein Ritual für den 1. Sonntag im Oktober geworden zu sein.
Werfen wir einen Blick auf die moderne Landwirtschaft. Sie ist ganz anders als die bäuerliche Welt, von der die Lesung spricht. Sie hat sich zu einer hochtechnisierten Industrie entwickelt, in der Dankbarkeit gegenüber der Schöpfung wenig Platz hat, weil der Mensch das Meiste planen und steuern muss, um Gewinne zu erzielen oder überlebensfähig zu sein, auch in den Biohöfen.
Nach den Alten Testament geht es um eine ganz andere Einstellung zur Natur und zur Schöpfung. Die Menschen lebten in einer bäuerlich ländlichen Welt und der Ertrag ihrer Felder war ihnen wichtig. Nach dem biblischen Schöpfungsverständnis ist der Mensch zusammen mit allem, was lebt, in eine geschwisterliche Gemeinschaft des Daseins gestellt. Alles ist für ihn Gabe und Aufgabe und verdient einen respektvollen Umgang.
Gestern war der Gedenktag des Heiligen Franz von Assisi. Er lebte von 1181-1226. Kaum ein anderer fühlte besser als er, dass der Mensch mit seinen Mitgeschöpfen, den Tieren, geschwisterlich verbunden ist. Die Tiere, die Pflanzen, das Wasser und alles, was lebt und atmet, ist von Gott gewollt. So gehört es zur Aufgabe des Menschen, dem Leben Ehrfurcht und Dankbarkeit entgegenzubringen.
Gestern haben wir in der City-Kirche die Tiere gesegnet. Sie sind für viele Menschen Partner, Freunde und Seelentröster und verdienen besonderen Dank, ebenso die Tiere, die zur Nahrung dienen. Wenn wir heute Erntedank feiern, ist es wünschenswert, dem Leben mehr Ehrfurcht entgegenzubringen und sich an dem zu freuen, was wir zur Verfügung haben. Wir wissen auch, dass Nahrung kostbar ist und nicht alle Menschen satt werden. Das Erntedankfest ermutigt uns gerade heute, solidarisch zu sein und zu teilen, wo es möglich ist.
Zugleich geht es beim Erntedankfest um eine Grundhaltung, die mit der Lebenszufriedenheit eng verbunden ist, die Dankbarkeit. Vor einiger Zeit hatte ich ein Buch gesehen, das heißt „99 Gründe dankbar zu sein“. Finden Sie 99 Gründe dankbar zu sein in Ihrem Leben? Wofür können Sie dankbar sein? Vielleicht gibt es viele Dinge, die aber als selbstverständlich angesehen werden, weil der Focus auf dem liegt, das nicht so glatt läuft. Nach der Lektüre des Buches habe ich mich gefragt: Bin ich dankbar, dass ich in einem freien Land lebe, es ärztliche Versorgung gibt, dass ich liebe Menschen, Freunde, eine Familie habe? Gerade in der Coronazeit war die Freude groß, viele bisher als selbstverständlich betrachtete Dinge wieder tun zu dürfen: Besuche zu machen zu reisen, wieder zur Kirche gehen zu dürfen etc. Vieles ist schnell wieder selbstverständlich geworden. Gerade bei Menschen, mit denen wir viel zusammen sind, vergessen wir oft unsere Wertschätzung zu zeigen: Danke, dass du da bist, dass du dir für mich Zeit genommen hast…
Dankbarkeit ist eine Haltung, die eingeübt werden kann, indem ich frage: Was war an diesem Tag Schönes? Wofür kann ich dankbar sein und auch Gott Danke sage? Vor Jahren habe ich mir angewöhnt, spätestens am Abend ärgerliche Erfahrungen oder Momente loszulassen und mit bewusst vor Augen zu halten, was an dem Tag schön war.und es auch manchmal aufzuschreiben. Oft sind es auch kleine Dinge, die wie ein nettes Gespräch oder die Freunde an der Natur oder kleinen Erfolgserlebnissen im Beruf, die mich dankbar für den Tag machen.
in einem Trauergespräch sagte eine Witwe, die mehr als 60 Jahre mit ihrem Mann verheiratet war, sie habe, als die Kinder vor 30 Jahren aus dem Haus waren, daran gedacht, sich von ihrem Mann zu trennen, weil sie viele Dinge störten. Die Erinnerung an das Schöne, das sie trotz aller Krisen erlebt haben, habe sie dann doch davon abgehalten. Ein Neuanfang wurde gewagt und heute sei sie dankbar für die neu genutzte gemeinsame Zeit.
Anbei ein kleines Dankbarkeitsrezept von Gottfried Heizmann, das als Schlüssel zum Glücklichsein einlädt:
Nimm eine Portion Lebensfreude aufgeblüht unter den Sonnenstrahlen der Liebe.
Füge eine Handvoll Staunen hinzu gewachsen unter dem blauen Himmel.
Würze das Ganze je nach Geschmack mit einer Prise Gelassenheit aus dem Garten des Vertrauens oder einer Messerspitze Mut aus dem Haus der Hoffnung.
Und genieße das Glück gleich nach der Zubereitung mit einer Dankbarkeit auf den Lippen.
Ich wünsche Ihnen und uns allen, dass wir trotz schwerer und belastender Erfahrungen das Leben auch mit dankbaren Augen sehen und wertschätzen. Schließen möchte ich mit einem Zitat von Francis Bacon, das ich sehr schön finde: „Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.