Ein neuer Anfang ist immer möglich

Impuls zu Mt 21,33-44 von Regina Gutt (ehrenamtliche Wortgottes- und Begräbnisleiterin)

Impuls zu Mt 21,33-44 (c) Bild: Martin Manigatterer In: Pfarrbriefservice.de
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Regina Gutt (ehrenamtliche Wortgottes- und Begräbnisleiterin)

Auf den ersten Blick scheint es, als handele es sich bei diesem Evangelium, das ja eine frohe Botschaft sein soll, um Mord und Todschlag.  Das Evangelium ist in folgendem näher zu betrachtendem Kontext zu sehen: Nach dem triumphalen Einzug Jesu in Jerusalem und der Vertreibung der Händler aus dem Tempel hat Jesus die Hohenpriester und Ältesten so provoziert, dass sie beschlossen ihn zu töten. Sie als Vertreter der alten Ordnungen und Traditionen haben sich gewissermaßen an die Stelle Gottes gesetzt und das Reich Gottes als ihren Besitz beansprucht. Aber sie lassen außer Acht, dass sie Gott gegenüber Rechenschaft schulden. In den folgenden Streitgesprächen Jesu mit seinen Gegnern geht es um Macht und um vor Gott glaubwürdiges Handeln. Jesus wird daher sein Ende geahnt haben. Bei dem Evangelisten Matthäus sind Jesu Worte besonders scharf und radikal formuliert, weil er für Judenchristen schreibt. Gemeint sind Christen, die wie Jesus mit der jüdischen Religion aufgewachsen sind, sich dann aber nach der Ostererfahrung zu der Botschaft Jesu bekannten, sich taufen ließen und nun als Christen von den Juden angefeindet wurden.

Jesus greift in seinem Gleichnis die prophetische Tradition des Weinbergs auf, der im Alten Testament das Volk Israel symbolisiert. Aber im Unterschied zu Jesaja sind bei Jesus nicht die fehlenden Früchte das Problem, sondern die Pächter, die sich weigern, dem Eigentümer dem ihm zustehenden Anteil abzuliefern. Hier zeigt sich der eigentliche Konflikt der jüdischen Autoritäten mit der Botschaft Jesu. Es geht um Macht. Die Hohenpriester und Ältesten wollen die Kontrolle über die Auslegung und Verkündigung ihrer Religion haben. Im Gleichnis ist dies der Weinberg.  Auch wollen sie das damit verbundene Ansehen behalten. Mit den Knechten, die der Weinbergbesitzer, gemeint ist Gott, aussendet, sind die Propheten gemeint, denen kein Glauben geschenkt wurde, wenn sie unbequeme Botschaften verkündeten. Sie wurden verhaftet, verspottet oder getötet wie zuletzt Johannes der Täufer. Mit dem Sohn verweist Jesus auf sich selbst und auf sein erahntes Ende in diesem Machtkonflikt.

Matthäus lässt die jüdischen Autoritäten selbst ihr Urteil sprechen, der Weinberg wird ihnen genommen. Hier schaut der Evangelist rückblickend auf das Judentum, denn nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem durch die Römer verlieren die Hohenpriester und Ältesten ihre Macht. Jesu Schicksal wird nach Psalm 118,22-23 mit einem Stein verglichen, den die Bauleute verworfen haben, der aber zum Eckstein geworden ist. Das bedeutet, wird zum tragenden Fundament für die Statik eines Hauses. Obwohl er getötet wurde, wird er durch die Auferweckung in der Dimension Gottes zum tragenden Fundament für eine neue Zukunft. Gottes Wirken wird also bei den Menschen weitergehen, die sich auf seine Botschaft einlassen.

Was auf den ersten Blick wie eine Geschichte von Mord und Todschlag erscheint, zeigt sich bei genauerem Lesen als eine Geschichte der liebenden Zuwendung Gottes zu den Menschen. Der Weinberg ist sorgfältig angelegt und gepflegt. Gott setzt Vertrauen in die Menschen. Obwohl sie ihn immer wieder enttäuschen und seine Knechte töten, ermöglicht er ihnen einen neuen Anfang. Auch, als sie den Sohn töten, bleibt der Weinberg erhalten. Auffällig ist auch, dass die Pächter für die Tötung der Knechte nicht bestraft werden. Das zeigt Gottes langen Atem und seine Geduld mit den Menschen. Aber das verhängnisvolle Streben nach Macht und Ansehen wird zerschlagen. Aber diese Zerstörung kann nach dem schmerzhaften Eingeständnis, sich falsch verhalten zu haben, auch die Chance für einen Neuanfang sein, auch für die jüdischen Autoritäten, wenn sie die wahrnehmen. 

Dass Gott Menschen mit Fehlern und Schwächen nicht fallen lässt sondern ihnen Aufgaben anvertraut, zeigt die Bibel an vielen Beispielen, die auch uns Hoffnung schenken. Moses hat im Zorn einen Ägypter erschlagen, dennoch sollte er die Israeliten aus Ägypten führen. Paulus hat die Christen verfolgen und töten lassen, dennoch sollte er das Christentum im damals bekannten hellenistischen Kulturkreis verbreiten.

Was sagt uns das Gleichnis heute?

Der Weinberg kann als Symbol für die Welt, für die Schöpfung, betrachtet werden. Letzte Woche haben wir Erntedank gefeiert.  Das verpflichtet auch dazu zu teilen und auf die Schöpfung zu achten. Es gibt genug Nahrung für alle, wenn die Güter dieser Welt gerechter verteilt werden. Die Geschichte der Menschheit zeigt, dass vieles schief läuft, wenn Macht und Profit an erster Stelle stehen.  Gehen wir, soweit es uns möglich ist, achtsam mit der Schöpfung, mit den Menschen und Tieren um, - das wäre der Gott zustehende Anteil-, bleibt uns die Schöpfung erhalten.

In dem Gleichnis steckt auch die Frage: War aller Einsatz umsonst? Wie oft gewinnen wir in der Familie, im Beruf, in der Freundschaft oder im Bereich Kirche den Eindruck, trotz aller Energie und Zuwendung laufen alle Bemühungen ins Leere. Dieser Erfahrung stellt das Bild von dem Eckstein Hoffnung entgegen. Ein neuer Anfang ist möglich, wenn auch nicht immer direkt erkennbar oder anders als erwartet. 

Zudem zeigt uns dieses Gleichnis Gottes Liebe zu allen Menschen, nicht nur zu einer Führungsschicht. Gerade das Bild von dem Eckstein zeigt, bei Gott ist nichts vergeblich. Bei ihm ist ein neuer Anfang möglich, auch über den Tod hinaus.