Verwandlungsmomente

Predigt zu Mt 17,1-9 und 2 Petr 1,16-19

MT 17.1-9 Verklärung (c) Bild: Martin Manigatterer In: Pfarrbriefservice.de
Von:
Beatrix Hillermann

Die Abschnitte, die dieser Verklärungsszene im Matthäusevangelium voraus gehen, waren für Jesus und für seine Freunde von einer emotionalen Achterbahnfahrt geprägt. Jesus hatte seine Freunde gefragt „wer bin ich eigentlich für euch?“ Es folgte das Messiasbekenntnis des Petrus. Die beiden sind sich nah und Petrus scheint zu verstehen, um was es Jesus geht. Dann kündigt Jesus sein Leiden an und Petrus will das mit allen Kräften verhindern. Es folgt ein heftiger Konflikt mit Jesus, der Petrus bescheinigt, dass er gar nichts von dem versteht, was sein Leben bestimmt. Es fallen harte Worte.

Und dann diese Szene hier im Evangelium. Schon der hohe Berg signalisiert, dass jetzt etwas ganz Besonderes kommt. Berge sind in allen Kulturen Orte der Gottesbegegnung und so etwas wie Gottesbegegnung geschieht dann ja auch. Jesus nimmt seine allerengsten Freunde mit, Petrus, Jakobus und Johannes. Und dann erzählt die Geschichte von einem Lichtereignis, Jesus wird in helles Licht getaucht, strahlend, tief anrührend stelle ich mir das vor. Es geschieht Ver-wandlung. Sie nehmen die weisen Vorväter wahr, Mose und Elija, und Petrus spürt ganz deutlich „es ist gut, dass wir hier sind“

Kennen Sie solche Szenen in ihrem Leben? Szenen, in denen Ver-wandlung geschieht und sie merken, vielleicht schmerzhaft, es ist gut, dass wir jetzt hier sind.

Ich erinnere mich an einen heftigen Konflikt mit einem guten Freund. So wie Petrus Jesus nicht verstand, hatten wir in mehreren Gesprächen Missverständnisse aufgetürmt, verletzende Worte, Frustration auf beiden Seiten, das Gefühl nicht verstanden worden zu sein. Dann doch noch ein vorsichtiger Versuch, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen, anders zu formulieren, „nein so habe ich es nicht gemeint, das tut mir Leid“ und plötzlich beginnt so etwas wie Verstehen. -Ach, das könnte dahinter stecken?-  Ich merke, wie sich in mir etwas verändert, Tränen kommen, „Du bist doch jemand, dem ich Vertrauen kann“, Erleichterung, Dankbarkeit – „Es ist gut, dass ich hier bin“

Oder eine Klientin erzählt mir von dem jahrelangen Leid mit ihrer psychisch erkrankten Tochter, immer wieder Versuche ihr zu helfen, die fruchten aber nicht, schließlich Suizid. Ein riesiger Schmerz, viele Fragen „hätte ich doch etwas anders machen können“ Dann die Erfahrung in dem großen Schwarz der Trauer entsteht Licht. Sie nimmt die Tochter wahr, so wie Jesus und seine Freunde Mose und Elija wahrnehmen. Sie spürt, es geht ihr jetzt gut. Sie spürt, sie ist doch hier in meiner Nähe. Manchmal hat die Klientin die Wahrnehmung, es passieren Dinge, die technisch -naturwissenschaftlich gar nicht sein können. Einen Moment Angst – wie die Jünger, aber dann doch das Gefühl „fürchte dich nicht“. Die Tochter darf leben, anders als wir, aber sie darf leben. Vertrauen, dass nicht nur der Menschensohn von den Toten aufersteht.

Beides Momente, wo etwas klar wird, wo Erkennen passiert, wo Vertrauen ins Leben erneuert wird. Momente, die dennoch nicht immer von anderen verstanden werden. „Erzählt niemandem von dem, was ihr gesehen habt, bis der Menschensohn von den Toten erstanden ist“, heißt es im letzten Satz des Evangeliums. Manches ist erst von hinten verständlich, erschließt sich im Moment noch nicht oder produziert noch mehr Mussverständnisse, wenn es an falscher Stelle gesagt wird.

Die Bibelstelle proklamiert Jesus als Gottes Sohn und macht mit diesem Schweigegebot deutlich, dass erst im Zusammenhang von Leben, Tod und Auferstehung, Verkündigung und Passion wirklich sichtbar wird, was es bedeutet Sohn Gottes zu sein.

Für uns kann Leben, Sterben und Auferstehung Jesu bedeuten, dass wir Vertrauen haben dürfen. Vertrauen, dass bei allem, was schwer ist, im Leben, immer wieder Verklärungsmomente möglich sind. Momente, in denen wir Vertrauen schöpfen können ins Leben; Momente, in denen sich Schweres verwandelt; Momente, in denen wir größere Zusammenhänge verstehen oder wahrnehmen; Momente, in denen wir spüren, es ist gut, dass ich hier bin.

Ich wünsche uns allen, dass wir solche Verklärungsmomente für möglich halten und sie möglich werden lassen durch Offenheit, Achtsamkeit, durch anders Hinschauen, das Gespräch wieder aufnehmen und durch das Nähren der Hoffnung, dass die kleinen Wunder im Alltag möglich sind.